Während Großkatzen wie Löwen und Tiger vom Aussterben bedroht sind, gehören Hauskatzen zu den erfolgreichsten Tierarten auf unserem Planeten. Wie haben sie es geschafft, unsere Herzen und Wohnungen zu erobern? In ihrem Buch „Der Tiger in der guten Stube“ geht die Journalistin und Katzenbesitzerin Abigail Tucker dieser Frage nach.
Warum lieben wir Katzen?
Die Fragestellung des Buches* finde ich ausgesprochen spannend: Obwohl Katzen für die meisten von und keinen offensichtlichen Nutzen, lieben und umsorgen wir sie.
„Menschen haben sich daran gewöhnt, domestizierte Tiere äußerst hart ranzunehmen. Wir erwarten, dass unsere Leibeigenen bei Fuß gehen, unsere Siebensachen schleppen oder gehorsam zum Schlachthaus trotten. Katzen aber bringen uns nicht die Zeitung, legen keine schmackhaften Eier oder erlauben uns, auf ihnen zu reiten. (…) Wir mögen Katzen – ja wir lieben sie sogar. Aber warum? Was ist ihr Geheimnis?“
Auf der Suche nach Antworten hat die Autorin allerhand Wissenswertes über die Geschichte der Hauskatze zusammengetragen und die Liste der verwendeten Literatur ist beeindruckend lang. Darüber hinaus hat Tucker mehrere Forscher selbst aufgesucht und zum „Phänomen Katze“ befragt.
Behandelt werden unter anderem die Entwicklung der Gattung seit dem Auftreten und Verschwinden des Säbelzahntigers, die Geschichte der Domestikation, die Ausbreitung der Hauskatzen und ihr Einfluss auf verschiedene Ökosysteme, der Tierschutz sowie die heutige Katzenhaltung – und ihre wirtschaftliche Bedeutung. Schließlich brachte der Aufstieg der Hauskatze ein wahres Universum an Zubehör mit sich und beschert der Heimtierbranche Milliarden-Umsätze.
Schöne Aufmachung und (zu) viele Informationen
Insgesamt wartet das Buch mit einer Fülle an Informationen und einem unglaublichen Detailreichtum auf – was das Lesen teilweise anstrengend macht. Hier geht es zum Beispiel um die Bedrohung einer in Florida heimischen Buschratten-Art durch eingewanderte Hauskatzen:
„Dixon, der Leiter des Schutzgebiets, ist ein nüchterner Mann aus Nordflorida, der früher im Wichita Mountains Wildlife Refuge gearbeitet hat, wo staatliche Wissenschaftler den fast ausgestorbenen Bison wieder heimisch gemacht haben. Hier im Crocodile-Lake-Schutzgebiet ist Dixon der Hüter verschiedener unbekannter und gefährdeter einheimischer Tiere – des Schmetterlings Papilio aristodemus und der Schnecke Orthalicus reses -, doch er kam vor allem hierher, um für die Buschratten einzutreten.“
Der rote Faden fehlt
Um ihre These von der „nutzlosen Hauskatze“ zu belegen, zieht die Autorin zahlreiche Forschungsergebnisse heran. Doch leider fehlt dem Buch der rote Faden. Im alten Ägypten wurden Katzen als Gottheiten verehrt, weil sie die Mäuse aus den Kornkammern fern hielten. Auch auf den Bauernhöfen und in den Reitställen von heute leisten Katzen bei der Mäusejagd gute Dienste, aber in dem Kapitel „Wenn die Katze im Haus ist, tanzen die Mäuse“ geht in erster Linie darum, wie schlecht Katzen bei der Jagd auf Ratten abschneiden.
Überhaupt kommen die Hauskatzen in „Der Tiger in der guten Stube“ nicht besonders gut weg – und das, obwohl die Autorin selbst „dem Zauber der Katzen erlegen“ ist. So werden etliche Studien zitiert, die den negativen Einfluss der Katzen auf diverse Ökosysteme belegen sollen. Ein ganzes Kapitel widmet die Autorin dem angeblichen Zusammenhang zwischen Toxoplasmose (ein Katzenparasit) und dem Auftreten von Geisteskrankheiten bei Menschen.
Dazu kommt, dass sich sehr viele Beispiele zum Thema Katzenhaltung auf die USA beziehen und sich meiner Meinung nach nicht so leicht auf europäische Verhältnisse übertragen lassen.
Gut gefallen hat mir die liebevolle grafische Gestaltung des Buches mit zahlreichen hübschen Illustrationen. Die gleiche Sorgfalt hätte ich mir manchmal bei der Übersetzung gewünscht, wie dieses Beispiel zeigt: „Einige Pumas streifen noch immer durch die Santa Monica Mountains, auch wenn die Population hoffnungslos isoliert und ingezüchtet ist und die wenigen Jungtiere oft dem Straßenverkehr zum Opfer fallen.“
Mein Fazit
„Der Tiger in der guten Stube“ hätte ein richtig tolles Buch werden können: Schließlich ist der sagenhafte Aufstieg der Hauskatze ein Phänomen, dass es wert ist, gründlich untersucht zu werden. Die Autorin hat intensiv recherchiert und viele interessante Fakten zutage gefördert. Leider ist das Werk durch die Überfülle an Details, die schlechte Gliederung und die verschwurbelte Sprache nicht einfach zu lesen. Ein sorgfältiges Lektorat hätte dem Buch gut getan.
Bibliographische Angaben
Abigail Tucker
Der Tiger in der guten Stube
Wie die Katzen erst uns und dann die Welt eroberten
Theiss, 1. Auflage 2017
Hardcover mit Schutzumschlag
304 Seiten, 31 Illustrationen, Preis: 19,95 Euro
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*Kostenloses Rezensionsexemplar. Dafür vielen Dank!
** Affiliate-Link (was ist das?); Bild: © Theiss Verlag