Ich bin mit Freigänger-Katzen aufgewachsen. Damals war der Freigang das Normale. Unsere Katzen streiften nach Herzenslust durch die Gärten der Nachbarschaft, besuchten fremde Menschen in ihren Häusern und brachten uns, die wir vom Jagen offensichtlich keine Ahnung hatten, erlegte Mäuse.
Eine Katze in einer Wohnung zu halten galt eher als ungewöhnlich. Wohnungskatzen hatten den Ruf, „komisch“ zu sein und in der Tat schienen die paar Wohnungskatzen, die ich kennen lernte irgendwie „fad“. Im Vergleich zu unseren Freigängern wirkten sie deutlich weniger lebenslustig.
An all das musste ich jetzt denken, als ich anlässlich des Weltkatzentages eine provokante Abrechnung mit der Wohnungskatzenhaltung auf der Website des Berliner Tagesspiegel las:
„Man entreißt ein Raubtier der Wildnis und domestiziert es bis zur Unkenntlichkeit. Gibt ihm breiige Pampe zu fressen und sperrt es in ein viel zu kleines Kabuff. Zu allem Überfluss lässt man die armen Tiere auch noch kastrieren, oft bevor sie ein einziges Mal in den Genuss des Sexualaktes gekommen sind. Tierschutzorganisationen wie Peta haben dagegen übrigens nichts einzuwenden. Würde man mit Menschen so verfahren, Amnesty International wäre nicht weit.“
Auch ich habe eine Wohnungskatze
Mein Elvis ist eine Fundkatze aus dem Tierheim und wurde aller Wahrscheinlichkeit nach schon immer in einer Wohnung gehalten. Die Freiheit hat er nie kennen gelernt. Trotzdem packt mich hin und wieder das schlechte Gewissen, wenn ich sehe, wie beim Spiel die Raubtierinstinkte erwachen: Wie er Deckung hinter den Möbeln sucht, wie er sich anschleicht, mit welcher Gewalt er zubeißen kann. Dann weiß ich ganz genau, dass er lieber eine Maus hätte. Eine lebendige. In solchen Momenten frage ich mich, ob wir unsere Katzen wirklich in die Wohnung sperren dürfen. Aber war wäre die Alternative gewesen?
Was wäre die Alternative zur Wohnungskatzenhaltung?
Für mich kam nur eine Katze aus dem Tierheim in Frage. Entscheidend war für mich, ob es die Katze bei uns besser haben würde, als im Heim. Nun, im Münchner Tierheim herrscht große Raumnot und Elvis war damals in einem Käfig untergebracht, der vielleicht einen halben bis einen Quadratmeter groß war. Jetzt hat er immerhin mehr als 80 Quadratmeter zur Verfügung. Noch wichtiger aber ist die Tatsache, dass er sich bei uns von einem zitternden Nervenbündel zum selbstbewussten Chef von zwei Dosenöffnern gemausert hat. Sein Leben hat sich bei uns gewaltig verbessert und das zählt sehr viel, finde ich.
Alle Wohnungskatzen frei lassen?
„Lieber drei Tage in Freiheit als neun Leben in Gefangenschaft.“
Doch ist ein Katzenleben in Freiheit wirklich so viel besser? Der Autor Martin Niewendick bezieht sich in seinem Artikel in erster Linie auf die wohlgenährten Freigänger-Katzen aus den Speckgürteln der Großstädte. Auf dem Land oder in den Industriegebieten sieht es schon ganz anders aus. Vom Ausland ganz zu schweigen. Noch nie habe ich mehr Katzen-Elend gesehen, als zum Beispiel in Zypern oder in der Türkei. Einäugige, kranke Katzenkinder, denen man ansieht, dass sie das Erwachsenendasein nicht erleben werden. Ihr Leben ein einziger Kampf um ein paar Abfälle auf der Straße. Ich weiß nicht, ob es richtig wäre, eine solche Straßenkatze aus dem Süden in eine deutsche Wohnung zu verfrachten – aber schön ist ein solches Leben in Freiheit ganz sicher nicht.
Ich gehe davon, der Autor meint es nicht ernst, wenn er fordert alle Wohnungskatzen frei zu lassen. Eine Wohnungskatze, die nichts anderes kennt auf die Straße zu setzen, womöglich noch mitten in der Stadt, das wäre wirklich Tierquälerei.
In den Tierheimen stapeln sich die Katzen
Deutschlandweit sind die Tierheime überfüllt. Würde man Katzen nur noch in Freigang vermitteln, würde über kurz oder lang alles zusammenbrechen. Solange Züchter immer wieder Nachschub liefern, wird sich an dieser Situation auch nichts ändern. Deshalb ist es meiner Meinung nach richtig und wichtig, dass auch Menschen, die nur eine Wohnung zur Verfügung haben, einer oder mehreren Katzen ein Zuhause geben.
Wie seht ihr das? Ist Wohnungskatzenhaltung Tierquälerei? Sind eure Miezen Wohnungskatzen oder Freigänger?
44 Kommentare
Meine Katze ist Freigängerin. Ich bin komplett gegen wohnungshaltung. Freigang bereichert einfach das Wohlbefinden ungemein und würde ich inner bieten auch an einer Straße. Risiko gehört zum Leben mit dazu. Wir fahren auch täglich Auto obwohl wir wissen das es jeden Tag viele tödliche Verkehrsunfälle gibt. Wie in dem Artikel auch erwähnt wurde empfinde ich die Wohnungskatzen von Bekannten ebenfalls als fad, desinteressiert und gelangweilt. Sie tun mir unendlich leid wenn sie mal am Fenster sitzen und den Vögeln hinterhersehen…
Nach dem Auszug bei meinen Eltern (freigang ist dort möglich) habe ich meine Katze dort gelassen. Ich lehne es ab sie in meine 70 qm Wohnung einzusperren auch wenn ich einen grossen Balkon habe. In einer Wohnung über 8 Stunden alleine zu sein ist auch für 2 Katzen auf Dauer nichts…
Ich würde immer Freigang bieten. Ich sage nur ja zur Katzenhaltung wenn Ausgang möglich ist. Ist es nicht möglich definitiv: NEIN! in meinen Augen ist es Tierquälerei und basiert auf dem Egoismus vom Menschen.
Wohnungshaltung finde ich nur ok bei erkrankten Tieren mit Ansteckungsgefahr für andere Katzen.
Das Gegenteil ist der Fall, es ist eher egoistisch, Katzen ungesichert raus zu lassen.
Aber mit Garten kann man ihnen ja einen gesicherten Freigang bieten.
Mein Kater -inzwischen 18 Jahre – lebt seit 8 Jahren in der Wohnung. Er war früher Freigänger, kam seinen Besitzern irgendwie abhanden und so auf Umwegen zu mir. Ich wohne in der Stadt, zwar teilen wir uns mit drei Parteien einen Garten, doch das Areal liegt zwischen zwei sehr befahrenenW Straßen und es leben zwei Hunde im Haus, die den Garten hin und wieder als Auslauf nutzen. Ich habe immer ein schlechtes Gewissen wegen der Wohnungshaltung, denn ich selbst möchte ja auch nicht in meinem Bewegungsradius so eingegrenzt sein. Die Wohnung ist relativ groß und hat einen Wintergarten. Aber den nutzt der Kater kaum, da er, schon aufgrund seines Alters, viel schläft. Wäre er damals nicht ein Notfall gewesen, hätte ich ihn nicht aufgenommen. Die Alternative wäre aber das Tierheim gewesen. Manchmal denke ich, dass er vom Tierheim aus bessere Chancen gehabt hätte, eine Familie zu finden, die ihm ein artgerechtes Leben hätte bieten können. Er ist nämlich ein sehr freundlicher Kater mit einem tollen Charakter.
Alleine mit der Aussage „Sie werden Kastriert bevor sie in den Genuss des Sexualaktes kommen.“ Hat sich der Autor aus meiner Sicht schon selbst disqualifiziert.
Auch dieses „Wenn man so mit Menschen umgehen würde, Amnesty International wäre nicht weit.“ Macht es nicht besser.
Erstmal ist es nie eine gute Idee, Tiere zu vermenschlichen, etwa zu glauben, Sex oder der dazugehörige Trieb sei für Katzen oder Tiere allgemein etwas schönes wie bei uns Menschen.
Dann kann kein Tier ein Haustier sein, wenn man Wert auf wirklich artgerechte Haltung legt.
Katzen in der Natur sind den ganzen Tag damit beschäftigt, ihr Revier zu verteidigen, Partner zu suchen, zu jagen, sich um Nachwuchs kümmern etc.
Das alles müssen sie als Haustiere nicht, auch nicht als Freigänger.
Das alleine ist schon nicht Artgerecht.
Ich finde es auch besser, wenn man ihnen Freigang bieten kann, aber das kann bei weitem nicht jeder. Solange die Katzen in reiner Wohnungshaltung entsprechend unterhalten und gefordert werden (und mit anderen zusammen leben) und keinen Drang zeigen, nach draußen zu wollen ist da nichts falsches daran.
Wenn eine Katze irgendwann mal raus will (was die einem ja überdeutlich zeigen können) sollte man für sein eigenes Wohl und das Wohl des Tieres ein neues Zuhause für dieses suchen, wo ihm das geboten werden kann.
Wenn sie keinen Sex haben wollen würden – oder wenn sie nicht kämpfen wollen würden – würden sie es nicht machen sie gehen einfach ihren Trieben nach – das ist natürlich .. und wer sie Kastriert und zuhause einspeert macht genau das – er vermenschlicht sie .. Der Mensch greift in die Natur ein damit die Katze so wird wie ihr möchtegern Gott denkt sein das sie zu sein hat ..
Das habe ich mir auch gedacht, mit dem Sexualakt, da konnte ich den Autor auch nicht mehr erst nehmen.
Prinzipiell mag der Autor des Tagesspiegel recht haben. Allerdings in einer perfekten Welt. Wie du schon sagtest, im In- und Ausland gibt es so viel Tierleid, das wäre mit Sicherheit teilweise kein schönes Leben.
[…] Katzen gleich. Bärbel von Lieblingskatze.net hat dazu eine gesunde Einstellung, auf die sie in diesem Artikel eingeht und die ich trotz eigener Freigängerkatze […]
Auch ich halte es für nicht-artgerechte Tierhaltung, wenn man Hunde oder Katzen in einer Stadtwohnung ohne großen Garten hält. Das sind Raubtiere, die -gesteuert durch Hormone und Instinkte – ihren natürlichen Freiraum brauchen!
Die Lösung muss als erstes bei den Züchtern ansetzen. Sollten sich dann nach und nach die Tierheime leeren, sollte nicht-artgerechte Haltung nicht weiter unterstützt werden. Heißt: Nur, wer garantieren kann, dass die Tiere einen stetigen Auslauf zur Verfügung haben, sollten ab da an noch Katzen und Hunde erwerben dürfen.
Das Tierwohl sollte über den Bedürfnissen und Wünschen der Menschen stehen!
Ich halte es für egoistisch, Katzen raus zu lassen. Im Schnitt werden Freigängerkatzen 4 Jahre alt.
Wie oft sehe ich an Straßenlaternen Suchzettel und weiß genau, die Leute werden das Tier nicht wiedersehen.